Von links: Dr. Hanns Blauert, Georg Lüdecke, Claudia Blauert, MdL Dr. Volkhard Wille, Christian Robbin und Dr. Detlev Kröger
Hintergrund
Naturschützer aus NRW haben 2021 eine Petition für mehr Artenvielfalt in öffentlichen Grünflächen ausgearbeitet. Einige der AutorInnen der Petition sind Claudia Blauert aus Kevelaer, Georg Lüdecke aus Kempen, Dr. Detlev Kröger aus Münster und Jürgen Kruse aus Nottuln.
Am 25.10.2022 trafen sich die AutorInnen der Petition persönlich in Düsseldorf, um den Petitionstext mit über 5900 Unterschriften bei dem Petitionsreferat im Landtag NRW einzureichen.
Vorher folgte die Gruppe einer Einladung von Dr. Volkhard Wille MdL, dem Sprecher für Natur- und Umweltschutz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW. In einer Besprechung wurden die Ziele der Petition und die aktuell schwierige Situation der heimischen Artenvielfalt erörtert. „Der Erhaltungszustand von Natur und Artenvielfalt hat sich in NRW in den letzten Dekaden zunehmend verschlechtert,“ beschreibt Dr. Wille den besorgniserregenden Befund, „wobei wir eigentlich bereits einige gute Gesetze haben. Es bestehen aber enorme Defizite bei deren Umsetzung.“
Claudia Blauert, Initiatorin der Petition, beschreibt ihre Motivation: „Mit dem praktisch ungebremsten Fortschreiten des Artenschwundes löschen wir sozusagen die „Festplatte“ unseres Ökosystems, während wir gleichzeitig mit unserer gesamten Zivilisation davon abhängig sind, dass es gut funktioniert. Die Artenschwundkrise ist untrennbar verwoben mit der Klimakrise und wir haben mit beiden Krisen die Planetaren Grenzen längst überschritten! Wir können sie aber nur gemeinsam überwinden und stehen hier in historischer Verantwortung.“
Blauert stellt weiter fest: „Die NRW Landesregierung hat 2019 die Konferenz „Insekten retten – Artenvielfalt bewahren“ veranstaltet. Substanzielles zum Schutz der Insekten- und Artenvielfalt konnte in der Zwischenzeit leider nicht erreicht werden. Die „Volksinitiative Artenvielfalt NRW“, welche gemeinsam von den Naturschutzverbänden NABU, LNU und BUND organisiert worden war, wurde 2021 abgewiesen. In der Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“, die bereits im Mai 2010 am Internationalen Tag der Biodiversität veröffentlicht wurde, wird festgestellt, dass es verstärkter Anstrengungen aller Akteure auf allen Ebenen für den Erhalt der biologischen Vielfalt bedarf, auch sei der Gesetzgeber gefragt.“
Die Ziele der Petition „Mehr Artenvielfalt im öffentlichen Grün!“
„Wir möchten mit unserer Petition erreichen, dass öffentliche Flächen ökologisch sinnvoll gepflegt werden,“ sagt Georg Lüdecke. “Sie können in Summe erheblich dazu beitragen, das zunehmende Schwinden der Insekten- und Artenvielfalt in unseren Lebensräumen aufzuhalten. Wir wollen damit politische Entscheidungstragende in Landtag, Kreisen, Städten und Kommunen sowie allen zuständigen Behörden und Verbänden auf das Thema des Verlustes heimischer Insekten- und Wildpflanzenarten aufmerksam machen.“ Weiter erklärt Lüdecke: „Ein großes Problem ist mangelndes Wissen. Vielfach werden Aufträge für sogenannte Pflegemaßnahmen vergeben, ohne dass sich die Auftraggebenden darüber bewusst sind, welche Konsequenzen das für die Natur hat.“
Als Beispiel nennt Dr. Detlev Kröger die heute übliche Praxis von Pflegemaßnahmen wie das Mulchen. Mulchen bedeutet, die Wildkräuter und Grashalme gleichzeitig mit dem Mähen zu zerschreddern. Dabei werden alle darin lebenden Insekten getötet. Schmetterlinge legen ihre Eier an Halmen ganz bestimmter Gräser und Pflanzen ab. Durch das Mulchen sterben ihre Eier ab und im Folgejahr kann sich kein Schmetterling mehr entwickeln. Ein anderes Beispiel: Werden Disteln an Feldrändern weggemäht, fehlt dem Distelfink (auch Stieglitz genannt) die wichtigste Nahrung in Herbst und Winter, denn er ernährt sich wie viele andere Vögel von den Samen bestimmter Wildpflanzen. Viele Arten sind in ihren Bedürfnissen völlig voneinander abhängig: Fehlt ein Partner, verschwindet zwangsläufig der andere. Auch Gehölze und Hecken werden praktisch ab geschreddert und zu oft geschieht dies ohne Rücksicht auf ökologische Erfordernisse und die Belange der Natur.
Für viele Arten bedeutet die Praxis dieser üblichen Pflegemaßnahmen Tod und Verlust von Lebensraum und Nahrung. Aus diesem Grund fordern die Naturschützer die gezielte und effektive Förderung der Artenvielfalt auf allen öffentlichen Flächen in Deutschland. Dieses Ziel soll durch ein konsequent ökologisch ausgerichtetes Grünflächenmanagement erreicht und mit geeigneten Pflegemaßnahmen erhalten werden.
Eine politische Anbindung hat die Initiative nicht. Die Umsetzung von Maßnahmen liegt in der Hand von Grünflächenämtern, Straßenbehörden, Betriebshöfen der Kommunen oder Gewässerverbänden. Die Naturschützer rufen diese dazu auf, ihre Pflegemaßnahmen anzupassen und das Grünflächenmanagement nachhaltig und ökologischen Erfordernissen entsprechend zu gestalten.
Wie das gelingen kann, listet die Initiative auf ihrer Webseite www.petition-mehr-artenvielfalt-im-oeffentlichen-gruen.de detailreich auf:
Die Naturschützer möchten mit Ihrer Petition die Bevölkerung und zuständige Behörden wachrütteln, sich endlich mehr für die Erhaltung der heimischen Artenvielfalt einzusetzen. „Bei den Hummeln sind schon etwa 50% der sensiblen Zeigerarten verloren und regionale Aussterbeereignisse sind bereits teilweise irreversibel, das bedeutet: gebietsheimische Arten verschwinden vor unseren Augen!
Es ergibt einfach keinen Sinn, dass durch ungeeignetes Pflegemanagement der Schwund von heimischen Pflanzen und Insektenarten vorangetrieben wird. Es sind schließlich unsere Steuergelder, die dafür ausgegeben werden,“ so die AutorInnen der Petition.
Auf der Webseite „Petition mehr Artenvielfalt im öffentlichen Grün“ kann man sich über die Forderungen, die gesetzlichen Grundlagen, die Probleme und deren Lösungen ausführlich informieren. Es sind viele Bilder aufgeführt und Beispiele von Initiativen, die bereits gut funktionieren und als Vorbild dienen können. Die Naturschützer möchten Lust auf Artenvielfalt machen. Sie wollen, dass sich mehr Menschen darüber bewusst werden und laden alle ein, sich dafür einzusetzen. Viele jüngere Menschen wissen gar nicht, welche Arten schon verschwunden sind, da sie diese gar nicht mehr kennenlernen durften. Zu den Unterzeichnern der Petition gehören übrigens viele bekannte Unterstützer wie der Verein Naturgarten e.V., Naturfilmer Jan Haft, Botaniker, Biologen und Professoren.
In Zukunft Artenvielfalt!
Am Ende des Gesprächs mit MdL Dr. Wille wurde die Petition in den Petitionsbriefkasten des Landtages eingeworfen. „Wir hoffen, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses ihre bestmögliche Motivation daraus entwickeln können,“ so die InitiatorInnen. „Unser Appell an alle AkteurInnen und Entscheidungstragenden lautet:
Sehr geehrte Damen und Herren, die Zeit zum Handeln ist jetzt – lassen Sie es bitte nicht zu, dass wir noch mehr Zeit verlieren. Zu viel steht auf dem Spiel.“
„Die Chancen, dass das Thema Artenvielfalt zunehmend in den Fokus rückt, stehen gut“, so MdL Wille, „denn im Dezember 2022 findet die Weltbiodiversitätskonferenz (COP15) statt, wozu die Vorbereitungen bereits laufen.“
Forscher veröffentlichten vor kurzem in der Zeitschrift Science einen Artikel mit der Erklärung: "Die größte Herausforderung liegt nicht darin, sich besonders viele Ziele zu stecken, sondern sie umzusetzen."
„Wir möchten den Mitgliedern des Petitionsreferates gern ans Herz legen, sich neben den Inhalten dieser Petition auch einige der Kommentare der Unterzeichnenden aufmerksam durchzulesen – 2035 teils aufwendig formulierte Kommentare sprechen für die Relevanz unseres Anliegens“, betonen die MacherInnen der Petition und verweisen auf die entsprechende Webseite https://www.openpetition.de/petition/online/mehr-artenvielfalt-im-oeffentlichen-gruen.
Zum Artikel
„Naturschützer aus Billerbeck startet Petition für mehr Artenvielfalt - Mehr Leben im öffentlichen Grün"
Kreis Coesfeld. Mehrere Naturschützer aus NRW haben sich zusammengeschlossen und eine Petition für mehr Artenvielfalt in öffentlichen Grünflächen gestartet. Einer der Autoren der Petition ist
Dr. Detlev Kröger aus Billerbeck.
Von: Allgemeine Zeitung - Billerbecker Anzeiger - 26.02.2021
Interview mit Dr. Detlev Kröger, „WDR5 – Neugier genügt“ vom 25.01.2021,
ca. 12 min Audio
Zum Artikel "Petition für mehr Artenvielfalt im öffentlichen Grün gestartet" Kreis Viersen, Kempen.
Umweltschützer aus der Region setzen sich für mehr Rückzugs- und Lebensräume in öffentlichen Grünanlagen ein, darunter Georg Lüdecke aus St. Hubert.
Von: Rheinische Post, 29.01.2021
Claudia Blauert
Tel.: 0176-58445703
Email: mail@petition-mehr-artenvielfalt-im-oeffentlichen-gruen.de
Co-Autoren:
Dr. Detlev Kröger,
Dr. Joachim Kamp,
Georg Lüdecke,
Jürgen Kruse